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Montag, 28. August 2017

Durch Staatsanwalt geprüfte Blogartikel

Für viele Richter auf der unteren Stufe der Gerichtsbarkeit scheint es gewöhnungsbedürftig zu sein, ihr zum Teil unanständiges Gewurstel in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt zu sehen. Jahrzehntelang vom Miteinander der Zeitungsverlage und Gerichtsverwaltungen gedeckt, verschwanden unspektakuläre Willkür und erschreckende Unfähigkeit von Richtern ohne großes Aufsehen in den Akten und den sie beherbergenden Kellern.

Spätestens mit den publizistischen Möglichkeiten des Internets war es jedoch mit der Gewissheit vorbei, im Halbdunkel selbstherrlicher Juristerei ungestört dem Ruhestand entgegendümpeln zu können. Nach Dekaden des Dornröschenschlafs ist es nachvollziehbar, wenn Amtsrichter ungeziemlichen Ruhestörungen durch anwaltliche Berichterstattungen nicht durch die Verbesserung eigener Arbeitsqualität entgegentreten mögen, sondern in ihrer Not lieber die Hilfe des Justizapparats höchstselbst erflehen.

Das klappt natürlich nur bedingt und trotz erheblichem Wohlwollen gegenüber den geplagten Richterseelen müssen bisweilen staatsanwaltliche Gütesiegel für Blogartikel verteilt werden, die sich auch beim besten Willen nicht mit Hilfe strafrechtlicher Sanktionen aus dem kollektiven Gedächtnis entfernen lassen. So wurden nach Strafanzeigen gegen den stets um ausgewogene Berichterstattung bemühten Verfasser folgende Blogartikel als von der Meinungsfreiheit gedeckt angesehen und das Verfahren bezüglich der dort erfolgten Äußerungen gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt. Begründet wurde die Verleihung dreier Gütesiegel wie folgt:

Amtsgericht Nienburg a.) "In seinem Artikel vom 20.04.2016 (Bl. 3 ff. Bd. I d.A.) kritisiert der Beschuldigte das „Amtsgericht Nienburg“ bzw. „die Justiz“ (Bl. 3, 4 Bd. I d.A.) und bemängelt „richterliches Duckmäusertum" (Bl. 4 Bd. I d.A.), „Arbeitsverweigerung“ (Bl. 6 Bd. I d.A.) und spricht von einem „Armutszeugnis“ (Bl. 5 Bd. I d.A.) bzw. dem Verfahren als „abstrusen Reigen“ (Bl. 7 Bd. I d.A.). Insoweit schwingt sich der Beschuldigte hier zwar zum Verfechter der Rechte seines Mandanten auf und will diese mittels seiner Artikel nun auch außergerichtlich wahren. Allerdings stellt sich die Veröffentlichung des fraglichen Artikels nicht mehr als Wahrnehmung berechtigter Interessen i.S.d. § 193 StGB dar. Denn anders als bei Äußerungen in einem anhängigen Rechtsstreit greift dieser Rechtfertigungsgrund i.R. einer außergerichtlich betriebenen, an die Öffentlichkeit gerichteten Kampagne nicht (BGH, Urteil vom 17.12.1991 - VI ZR 169/91; OLG Frankfurt, Beschluss vom 20.12.2005 - 20 W 298/04, vgl. Fischer, StGB, 63. Auflage - 2016, § 193 Rn. 7 ff.). Gleichwohl stellen zumindest diese Äußerungen des Beschuldigten inhaltlich noch keine Beleidigung i.S.d. §§ 185 ff. StGB dar. Denn unter Beachtung aller Begleitumstände bringen sie keine persönliche Missachtung bzw. Nichtachtung gegenüber einzelnen Personen zum Ausdruck. Es handelt sich vielmehr um eine allgemeine Unhöflichkeit, verbunden mit einer generellen Kritik an der aus Sicht des Beschuldigten unbefriedigenden Prozessführung (vgl. hierzu Fischer, a.a.O., § 185 Rn. 10). Persönliche Anfeindungen gegen einzelne, nicht namentlich genannte Richter enthält der genannte Artikel nicht, inhaltlich geht es vielmehr um eine Auseinandersetzung mit der Rechtssache selbst, die in tatsächlicher Hinsicht zumindest kursorisch dargestellt wird (Bl. 44 Bd. II d.A.)."

Amtsgericht Nienburg b.) "Ähnlich verhält es sich mit dem Artikel vom 18.05.2016 (Bl. 21 ff. Bd. I d.A.), in dem der Beschuldigte die „charakterlose Unentschlossenheit der Nienburger Robenträger“ (Bl. 23 Bd. I d.A.) anprangert. Hierzu hat er ausgeführt, er betrachte die Vertagung der Entscheidung über ein Ordnungsgeld als rechtswidrig und habe dies mit seinem Artikel zum Ausdruck bringen wollen (vgl. Bl. 43 Bd. II d.A.). Auch insoweit ist die Grenze zur Strafbarkeit nach § 185 Abs. 1 StGB noch nicht überschritten, es handelt sich um eine allgemeine Unhöflichkeit, nicht aber um eine auf persönliche Diffamierung zielende Schmähkritik."

Amtsgericht Nienburg c.) "Des Weiteren hat der Beschuldigte in seinem Artikel vom 12.07.2016 (Bl. 28 ff. Bd. I d.A.) der „niedersächsischen Justiz“ „Versagen“ (Bl. 29 Bd. I d.A.) vorgeworfen und behauptet, die „Nienburger Justiz“ vollziehe eine „Gratwanderung zur Strafvereitelung“ (Bl. 29 Bd. I d.A.). Bei der vorliegenden Äußerungen handelt es sich um eine auf Tatsachenbehauptungen basierende Meinungsäußerung, die grds. den Schutz des Art. 5 Abs. 1 GG genießt. In diesem Zusammenhang kommt dem Begriff der Rechtsbeugung dann aber nicht die Qualität einer Formalbeleidigung zu, sofern er im Zusammenhang mit einem bestimmten Verfahren oder Urteil verwendet wird, in sachliche Einwände eingebettet ist und damit als - scharfe - Zusammenfassung der Urteilskritik steht (AGH Saarland, Urteil vom 12.08.2002 - AGH 2/02 in MDR 2003, 180). Auch in dem genannten Artikel befasst sich der Besch. mit der von ihm als ungerecht empfundenen Verfahrensführung. Es handelt sich zumindest im Kern um eine sachliche Auseinandersetzung, nicht um eine bloße Schmähung der Entscheidungsträger."

Mittwoch, 15. März 2017

Facebook-Schaise

Schon vom Anbeginn des menschlichen Lebens ist unser Planet voller Idioten, aber bis zur weltumspannenden Einführung von Facebook konnte diese Erkenntnis nicht in ihrer gesamten Tragweite bis in die Elfenbeintürme von Wissenschaft und Politik durchdringen. Zugegeben, erst seitdem ich mich selbst beruflich mit der rechtlichen Qualität von Äußerungen auf Facebook befasse, werde ich mit unterbelichteten Gegnern konfrontiert, die in anderen Rechtsgebieten eher Ausnahmen sind. Facebook hilft ihnen dabei nicht nur, sich zusammenzurotten, sondern vor allem dabei, im Überfluss vorhandene Zeit zu vernichten.

Anstatt aber der Volksverblödung als Ursache für hirnverbrannte Postings eine überfällige Bildungsoffensive entgegenzusetzen, möchte die Bundesregierung durch Justizminister Heiko Maas den Druck auf soziale Netzwerke erhöhen, um lediglich die Wirkung der Verdummung der Regierten mittels amtlicher Kontrolle des verbreiteten Schwachsinns zu entschärfen. Netzwerke mit mehr als zwei Millionen Nutzern sollen zum Handeln verpflichtet werden, wenn sie von denkbar rechtswidrigen Inhalten erfahren. Die andauernde Verbreitung rechtswidriger Postings soll als Ordnungswidrigkeit mit Sanktionen in Millionenhöhe geahndet werden können.

Seit die politische Elite selbst in den Fokus scharfer oder gar rechtswidriger Kritik über Facebook geraten ist, scheinen ihr die bestehenden Gesetze nicht mehr auszureichen. Während Amtsrichter Persönlichkeitsrechtsverletzungen von Delinquenten über Facebook in zivilrechtlichen Streitigkeiten gerne in der niedrigsten Gebührenstufe bis zu 500,- EUR sanktionieren, möchte die politische Führung die unmittelbar gar nicht selbst verantwortlichen Netzwerke gerne mit Geldbußen von bis zu 50.000.000,- EUR bedrohen.

Ein geschickter Schachzug der im Netz oft arg gescholtenen deutschen Führungsebene, die auf diese Art und Weise jedenfalls einen empfindlichen Einschnitt in die Bandbreite der kritischen Meinungsäußerungen erreichen wird. Denn kein soziales Netzwerk wird es riskieren, eine äußerungsrechtlich bedenkliche, aber letztlich zulässige Nutzermeinung stehen zu lassen, wenn die Weigerung der Löschung die Gefahr hoher Geldbußen mit sich bringt. Im Ergebnis dürften auf diese Weise zehntausende kritische Beiträge von den sozialen Netzwerken selbst vorsorglich gelöscht werden. Ein geschickter Schachzug in einer Zeit, in dem die Veröffentlichung von bösen Leserbriefchen in Tageszeitungen vollends ihre Bedeutung verloren hat.

Mittwoch, 20. Februar 2013

Vertragsstrafe und Nächstenliebe

Wir hatten zunächst freundlich um die Entfernung einer falschen Bewertung in einer Datenbank für Motorradhändler gebeten, die unterstellte, dass sich unsere Mandantin in diesem Händlerportal selbst bewerten würde.

Die Gegnerin hielt den Eintrag “Wenn man sich als Händler schon selber bewertet, dann doch nicht so offensichtlich“ nicht für eine falsche Tatsachenbehauptung, sondern für eine zulässige Meinungsäußerung und dieser Ansicht folgte etwas überraschend auch das Landgericht Ingolstadt.

Um so größer war die Überraschung vor dem Oberlandesgericht München, als nach dem anfänglichen Antrag der Gegnerin, unsere Berufung zurückzuweisen, plötzlich eine vorweihnachtliche strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben und die Hauptsache für erledigt erklärt wurde. Damit nicht genug, erklärte sich die Gegnerin in einem weiteren Schriftsatz dazu bereit, sämtliche Kosten zu tragen. Bei einem Streitwert von EUR 20.000,- in zwei Instanzen ein von beachtlicher Nächstenliebe geprägter Akt des Wohlwollens, der dem Oberlandesgericht München eine Entscheidung über die Pflicht zur Kostentragung des Rechtsstreits ersparte.

Weil der Gabentisch für die am Verfahren beteiligten Rechtsanwälte bereits ordentlich gedeckt war, sollte es auch für die Klägerin nicht an einer Zuwendung mangeln. Denn mit der Auslobung einer für den Fall des Verstosses gegen die Unterlassungsverpflichtung recht üppigen Vertragsstrafe von EUR 10.000,- einhergehend, liess die Beklagte die beanstandete Händlerbewertung einfach unverändert im Internet stehen. Dass das Landgericht Ingolstadt mit Urteil vom 10.01.2013 zum Az.: 41 O 569/12 die Beklagte schon mit einer Zahlung von nur EUR 5.000,- für den weitere 15 Tage vorgehaltenen Eintrag angemessen beschenkt sah, vermochte die festliche Stimmung zum Jahreswechsel in Ingolstadt allerdings kaum ernsthaft zu trüben.