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Montag, 13. Februar 2023

Sag zum Abschied leise Scheiße

Den Beruf "Ballettdirektor" kann es in Hannover nur geben, weil der Steuerzahler kräftig zuschießt. Das Land Niedersachsen subventioniert Theater und Orchester jedes Jahr im dreistelligen Millionenbereich, darunter auch die Staatsoper Hannover mit seiner Ballettsparte. Von den Trippelschritten abseits des wirtschaftlichen Wettbewerbs von Kulturschaffenden im Opernhaus Hannover kriege ich als Kunstbanause normaler Weise nichts mit. Das hat sich nun kurzfristig geändert, weil der großartige Ballettdirektor Marco Goecke der Kritikerin Wiebke Hüster von der Frankfurter Allgemeinen Zeitung Scheiße ins Gesicht geschmiert haben soll.

Die Frankfurter Allgemeine schildert den in Rede stehenden Vorfall vom 11.02.2023 so: "Im Foyer des Opernhauses stellte der fünfzigjährige Goecke sich wütend unserer nichts ahnenden – und ihm persönlich bis dahin nicht bekannten – Kritikerin in den Weg, um zu fragen, was sie in der Premiere zu suchen habe. Offenbar provoziert durch ihre Rezension seines Den Haager Ballettabends „In the Dutch Mountains“, drohte er ihr zunächst ein „Hausverbot“ an und warf ihr vor, für Abonnementskündigungen in Hannover verantwortlich zu sein. Immer stärker außer Fassung geratend, wurde Goecke schließlich handgreiflich: Er zog eine Papiertüte mit Tierkot hervor und traktierte das Gesicht unserer Tanzkritikerin mit dem Inhalt."

Der SPIEGEL beschreibt die Tat ähnlich: "Nach Angaben der Betroffenen hatte Goecke sie am Samstag während einer Pause der Premiere zu einem neuen Ballettstück im Foyer des Theaters verbal konfrontiert und ihr anschließend Hundekot ins Gesicht geschmiert."

Seit der berühmten Fettecke von Joseph Beuys hat sich die Wahrnehmung von Kunst im öffentlichen Raum allerdings gewandelt und so könnte man ganz entfernt daran denken, dass die Anbringung von Hundekot im Gesicht einer Kritikerin unter den Schutz der Kunstfreiheit als ein Grundrecht fällt, weil darunter jede künstlerische Ausdrucksform fällt, die vom Betrachter auf verschiedene Weise interpretiert werden kann und die deshalb immer neue Deutungsmöglichkeiten eröffnet. Letztlich ist jedes Verhalten geschützt, das dazu dient, der Idee eines Künstlers einem Publikum zugänglich zu machen, da Kunst als Kommunikationsgrundrecht auf die Wahrnehmung in der Öffentlichkeit angewiesen ist.

Wollte der hochbegabte Ballettdirektor den anwesenden Gästen im Opernhaus Hannover seine persönlichen Auffassung "Scheißkritikerin" mit einer besonders dynamischen Kurzchoreografie demonstrieren? Schließlich ist die Kunstform des Happenings als das Werfen von Gegenständen ins Publikum, Exhibitionismus, Kot-, Blut- und Farborgien, Zerstören, Zerreißen und Verdrecken von Gegenständen und Personen bekannt. Durch unterschiedlichste Handlungen soll eine Schockwirkung auf das Publikum erreicht werden, welches auf diese Weise in das Ereignis einbezogen wird. Das hat Goecke sicherlich erreicht.

Das Niedersächsische Staatstheater selbst wertet den Einsatz von Hundekot gegen die Kritikerin als rechtswidrigen Angriff, spricht aber von einer "impulsiven Reaktion" gegenüber der Journalistin gegen alle Verhaltensgrundsätze der Staatsoper Hannover. Damit habe Goecke das Publikum, die Mitarbeitenden des Hauses und die allgemeine Öffentlichkeit "auf das Extremste verunsichert" und das Theater möchte dem Ballettdirektor deshalb in den nächsten Tagen Gelegenheit geben, sich umfassend zu entschuldigen und der Theaterleitung gegenüber zu erklären, bevor weitere Schritte eingeleitet werden.

Die hannoversche Justiz wird das Verhalten des Ballettdirektors als Körperverletzung und Beleidigung werten und das Arbeitsgericht Hannover würde eine Klage gegen die Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit Marco Goecke sicherlich abweisen. Ob das Staatstheater Hannover die fällige Kündigung allerdings aussprechen wird, scheint derzeit offen. Denn für einen der weltbesten Choreografen könnten an einem subventionierten Staatsbetrieb, dessen Engagement Hannover vor drei Jahren zu einer der "wichtigsten Ballettstädte der Republik" gemacht hatte, andere Maßstäbe gelten, als in der Privatwirtschaft.

Montag, 28. März 2022

Oliver Pocher - mitten in die Fresse

Oliver Pocher wurde am vergangenen Samstag in Dortmund vor Beginn eines Boxkampfs in der ersten Zuschauerreihe von einer schweren Ohrfeige erfasst, die ihn sichtlich beeindruckt die Flucht vor weiteren Schlägen antreten ließ. Der Angreifer war ein Mann mit dem Künstlernamen Fat Comedy, dessen Straftat auftragsgemäß gefilmt und anschließend mit folgendem Kommentar auf Instagram im Internet verbreitet wurde. "Weil du so ein unschönen Charakter hast, Menschen gerne erniedrigst, Menschen unterstützt die behaupten vergewaltigt worden zu sein obwohl es nicht stimmt – die Anzeige nehme ich sehr gerne in Kauf, Liebe Grüße Omar."

Opfer und Täter kommen beide aus einem Milieu, das sich in den klassischen und sozialen Medien um eine möglichst große Bekanntheit bemüht, um durch die erlangte Reichweite wirtschaftliche Vorteile zu genießen. Während Oliver Pocher bereits eine Bekanntheit besitzt, die es ihm erlaubt, bei einem beachteten Boxkampf mit anderen Prominenten in der ersten Reihe sitzen zu können, möchte Fat Comedy durch die gesteuerte Verbreitung seiner vorsätzlich begangenen Straftat eine größere Reichweite erlangen, um seinen wirtschaftlichen Zielen etwas näher zu kommen. Das von ihm selbst genannte Motiv dürfte nur bei der Auswahl des Opfers der Straftat eine Rolle gespielt haben, nicht aber bei der geplanten Instrumentalisierung einer Körperverletzung.

In den sozialen Netzwerken wird der Straftäter wegen der Auswahl des Opfers gefeiert. Oliver Pocher gilt bei vielen als ein Mensch, der sich verbal gerne an Schwächeren und Wehrlosen vergreift und daher den Schlag verdient hätte. Strafrechtlich und zivilrechtlich gesehen müssen die charakterlichen Defizite des Opfers bei der Bewertung der Tat allerdings außer Betracht bleiben, da von einer Rechtfertigung im juristischen Sinne sicher nicht gesprochen werden kann. Im Hinblick auf die Bekanntheit des Täters hat sich dessen Straftat sicher gelohnt, denn der weit überwiegenden Öffentlichkeit war der  schwergewichtige Unterhalter bisher sicherlich nicht bekannt. Das hat sich nach seiner Ohrfeige nun wie geplant geändert.

Bei der Bestrafung von "Fat Comedy" wird das Gericht daher zu berücksichtigen haben, dass sich eine Straftat zur Generierung wirtschaftlicher Vorteile nicht lohnen darf. Die öffentlich inszenierte Körperverletzung eines Dritten zwecks Steigerung der eigenen Bekanntheit stellen eine neue Qualität der Kriminalität wegen der Belohnung von Reichweiten in den sozialen Netzwerken dar, dessen Vorteile durch das Strafmaß vollends abgeschöpft werden müssen, wenn diese Form der Werbung nicht zu einem erfolgreichen Geschäftsmodell werden soll. Dazu werden auch zivilrechtliche Schritte von Oliver Pocher beitragen, die ihm sicherlich ein beachtliches Schmerzensgeld einbringen werden. Es ist nun an den Gerichten, ein Signal gegen die erfolgreiche Instrumentalisierung von Gewalt in den sozialen Netzwerken zu setzen.

Mittwoch, 27. Juni 2012

Landgericht Köln: Stück vom Pimmel abschneiden strafbar

Etwas weniger ordinär aber dafür auch nicht ganz so verständlich äußert sich das Landgericht Köln in einem Urteil, welches die Strafbarkeit von Beschneidungen nicht einwilligungsfähiger Jungen aus rein religiösen Gründen ausspricht und damit für Aufruhr bei der Religionsgemeinschaft des Islam und dem Zentralrat der Juden sorgt.

Während das Amtsgericht Köln einen Allgemeinmediziner wegen einer fachlich einwandfreien Beschneidung eines vierjährigen Jungen ohne medizinische Indikation aber mit Einwilligung der muslimischen Eltern vom Vorwurf der gefährlichen Körperverletzung eben wegen der vom Gericht angenommenen rechtfertigenden Einwilligung freisprach (Az. 528 Ds 30/11), war das Landgericht Köln mit Verwerfung der Revision der Staatsanwaltschaft am 07.05.2012 der Ansicht, dass der Eingriff zwar rechtswidrig aber dessen Strafbarkeit vom Arzt nicht erkennbar gewesen sei (LG Köln, Az.: 151 Ns 169/11). Der Mediziner habe sich in einem unvermeidbaren Verbotsirrtum befunden und sei (nur) deshalb freizusprechen.

Auf einen solchen Verbotsirrtum werden sich Ärzte nach der Veröffentlichung der Entscheidung und dem Bekanntwerden der Strafbarkeit der Beschneidung von kleinen Jungen in Zukunft nicht mehr berufen können. Die Religionsgemeinschaften, bei denen die Beschneidung des Penis als ein Akt religiöser Bestimmung gilt, kritisieren die Entscheidung des Landgerichts Köln daher als beispiellosen und dramatischen Eingriff in das Selbstbestimmungsrecht der Religionsgemeinschaften und in das Elternrecht. Schließlich sei diese Form der Beschneidung von Jungen seit Jahrhunderten religiöse Praxis bei Juden und Muslimen.

In Deutschland hat das Landgericht Köln jedenfalls mit dieser Tradition gebrochen und das Recht auf körperliche Unversehrtheit eines Kindes über die Religionsfreiheit der Eltern gestellt und mutet damit jüdischen als auch muslimischen Eltern ein Abwarten auf die Mündigkeit ihrer Kinder zu. In den USA widmet sich dieser Problematik die Gruppe sogenannter "intactivists", die sich nicht zuletzt durch unkonventionelle Methoden einen Namen im Kampf gegen die kindliche Vorhautbeschneidung gemacht haben. Auch sie definieren diese Form der Beschneidung grundsätzlich als Verletzung des Menschenrechts auf körperliche Unversehrtheit und geschlechtliche Integrität.